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Manuela Wicher

Weihnachten ist vorbei

Als Kind wartete ich sehnsüchtig besonders auf dieses Fest, hoffte darauf hin, war voll von gewisser Freude. Es war die Zeit der Heimlichkeiten, der guten Gerüche, der Lichter. Weihnachten machte man sich fein. Nacheinander wurden meine Schwester, mein Bruder und ich in die Wanne gesteckt, genau in dieser Reihenfolge, daran gab es nichts zu rütteln. Zum Mittag gab es Nudelsuppe und danach schauten wir alle zusammen vorm Fernseher ein Weihnachtsmärchen. Wenn es dann dämmrig wurde, drehten wir eine Runde durchs Dorf. In meiner Erinnerung lag meistens Schnee und das Dörfchen sah wie in eine Schneekugel gehüllt aus. Aus allen Fenstern leuchtete Weihnachten, es war magisch. Wenn wir nach Hause kamen, wurden die Kerzen an unserem Tannenbäumchen angezündet. Meine Eltern benutzten all die Jahre immer echte Kerzen und wir Kinder hatten die Aufgabe aufzupassen, dass nur ja keins umkippte oder runterbrannte, bevor man das neue Kerzlein draufgesteckt hatte. Nach dem Abendbrot gab es die Bescherung. Viele Jahre kam ein Weihnachtsmann zu uns, ließ uns Gedichte aufsagen und Lieder singen und drückte uns drohend die Geschenke in unsere schweißnassen Hände. Es waren immer drei. Drei geheimnisvolle Gaben. Erst Jahre später begriff ich, wie schwer es für meine Eltern gewesen sein muss, zumindest einen heiß ersehnten Wunsch von unseren Wunschzetteln zu erfüllen. Es waren die Zeiten, in denen es nie alles gab. Und manches gab es gar nicht. Das machte, dass das Schenken und Beschenktwerden etwas sehr Besonderes war. Später saßen wir zusammen und spielten Karten. Rommé. Ich komme aus einer Spieler – Familie. Bereits mit vier Jahren konnte ich sämtliche Kartenspiele und wusste um den Ernst der Lage. Wenn man Weihnachten das Spiel verlor (wir spielten immer 5 Runden und die Punkte wurden akribisch notiert), wurde man mit Hohn und Spott überschüttet, bekam einen „Verliererhut“ aufgesetzt und trug den Titel „Weihnachtsschleimi“ für ein ganzes Jahr. Revanche dafür gab es erst zum nächsten Weihnachtsfest. Im Laufe des Weihnachtsabends gesellten sich Tanten, Onkel und Freunde der Familie dazu. Es wurde Wein, Schnaps und Bier auf den Tisch gestellt und im Wohnzimmer geraucht. Meine Oma saß wie die Königin Mutter mittendrin und ab und zu  fiel irgendeinem Erwachsenen ein, dass wir Kinderbande ja doch endlich mal ins Bett gehöre. „Ist doch Weihnachten“, wurde dann zu unserem Glück festgestellt und irgendwann landete man spät mitternachts im Bett und träumte von halb herabgebrannten Kerzen. Alles an meinen Weihnachtserinnerungen ist seltsam beglückend, alles. Diese Erinnerungen sind der Grund, weswegen ich Weihnachten unbeirrt liebe. Auch, wenn kein Schnee in der Luft liegt, sondern Sturm und Regen durchs Land zieht. O du fröhliche haben wir auch dieses Jahr gesungen und abends den Rommé – Schleimi gekürt. Das Beste aber war, dass wir alle zusammen waren. Wie jedes Jahr. Wie hoffentlich auch nächstes Weihnachten.

Das neue Jahr wartet auf uns. Morgen ist es soweit. Um Mitternacht werde ich ihm zuprosten: Ich fürchte dich nicht, 2024, im Gegenteil! Bring Gutes. Werd groß und frei. Das wünsche ich für dich, für mich, für die Welt.

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