Vor ein paar Tagen ist mein Buch erschienen. Vor der Buchpremiere war ich irrsinnig aufgeregt. Altvertraute Verhaltensmuster schwappten verdächtig und ungut schnell wieder hoch. Ich habe meinen Mann grundlos angeraunzt, meinem fast dreißigjährigem Sohn befohlen, er solle sich eine Jacke anziehen, meine Freundin zum Rauchen überredet, obwohl sie längst damit aufhören wollte und zu allem Überdruss stand ich eine gefühlte Ewigkeit hilflos vor meinem Kleiderschrank und hatte keine Idee, was ich zu diesem Anlass anziehen sollte. Ich war wieder fünfzehn – unsicher, scheu, ängstlich.
Ich habe die Buchpremiere überstanden. Siehste ja. Es hat mir sehr gefallen: liebe Menschen, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe, eine ungezwungene und lässige Stimmung, mein Roman, wie er so auf einem Stapel lag. Abends habe ich dann mit meinem Clan zusammen gehockt und wir tranken ziemlich viel und ziemlich lange. Ja, schön war’s. Was nicht schön war, waren die Fotos, die von diesem Tag entstanden sind. Auf fast jedem sehe ich angespannt, ernst und auch ein wenig verzweifelt aus.
Zwei Tage später hatte ich ein Treffen mit einer Kulturjournalistin, die ein Interview zu meinem Buch machen wollte. 11:30 Uhr wollte sie mich abholen. Ich hatte gut geschlafen, war schon eine Runde mit meinem Hund laufen und hatte noch schnell das Bad geputzt. Wie man das eben so macht, wenn man noch Zeit hat: Man vertrödelt sich mit komischen Sachen. Als ich auf die Uhr schaute, war es fünf vor halb zwölf. Umständehalber ließ ich mein T-Shirt an, tauschte die Jogginghose gegen Jeans und warf mir meine Lederjacke über. Mit dem überhasteten Knallen der Haustür bog ein schwarzer VW Golf um die Ecke. Ja, zeitgleich. Der Fahrer, ein junger und sehr freundlicher Bursche, erzählte mir beiläufig, dass die Technik bereits vorbereitet sei und er hoffe, dass mit dem Licht alles stimme. Mir brach der Schweiß aus. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass das Interview gefilmt werden würde. "Don't kill the messenger!" Ergeben folgte ich ihm. Er führte mich durch spiegelverglaste Korridore in ein Studio und eine überbordend lebendige, denkschnelle und blitzgescheite Journalistin ballerte mich mehr als eine Stunde mit Fragen zu. Die Angst kam später. Als sich das Adrenalin verflüchtigt hatte und ich begann, nachzudenken. Darüber, wie man aus einem einstündigen Interview einen dreiminütigen Beitrag schneidet. Darüber, wie und was sie von meinen Aussagen benutzen würden, in welcher Reihenfolge, in welchem Kontext. Darüber, was ich gesagt und was ich nicht gesagt hatte. Und darüber, was meine Mutter über mein ausgeleiertes T – Shirt im Fernsehen sagen würde.
Einen Tag später wurde der Beitrag ausgestrahlt. Ich war glücklich. So innig höllenglücklich. Danach schrieb ich der wunderbaren Journalistin eine Nachricht: Vielen Dank für den großartigen Beitrag. Er ist kraftvoll und berührend zugleich. Danke, dass Sie nicht nur „Sechzehn“ sichtbarer gemacht haben. Sie schrieb zurück: Es war mir eine Ehre.
So ist das mit meinen Ängsten. Sie kehren regelmäßig zu mir zurück und locken mein Menschsein raus. Dann stellt sich die spannenden Frage: Wo bleibt mein Mut? Offenbar eben genau dort, wo ich mich nicht über einen Erfolg oder eine Leistung definiere. Und dann rutschten mir die Zeilen eines Liedes von den „Ärzten“ in den Kopf:
Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist. Du bist immer dann am besten am besten, wenn du einfach ganz normal bist. Du musst das nicht mehr testen, dein Spiegelbild ist anderen egal.
Das alles hatte ich also auch schon mal mit fünfzehn gewusst. Ich wünsche dir sehr glückliche Tage mit einer Portion Mut obendrauf. Sei gegrüßt, von Herzen!
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